Die Kelten Norikum

 

Norikum / Noricum

Noricum war ein keltisches Königreich im heutigen Österreich, welches als „Regnum Noricum“ intensive Handelsbeziehungen mit dem römischen Reich unterhielt und später unter der Bezeichnung Provincia Noricum eine Provinz des Römischen Reiches war.

Zeit der Selbständigkeit

Das Regnum Noricum umfasste zur Zeit der größten Ausdehnung ungefähr die heutigen österreichischen Bundesländer Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark sowie Südostbayern, den Süden von Tschechien, den Westen der Slowakei, den Nordwesten von Ungarn und große Teile von Slowenien. Es umfasste als Provinz ungefähr die heutigen österreichischen Bundesländer Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark sowie Südostoberbayern mit dem Chiemgau.

Angrenzend waren Raetia im Westen, Pannonia im Osten und Dalmatia im Süden. Im Südwesten befand sich das römische Kernland, im Norden reichte das keltische Königreich im Gegensatz zu späteren römischen Provinz über die Donau hinaus. Erst unter der Herrschaft Roms bildete die Donau die Grenze des Imperiums und somit auch der Provinz.

Die ursprüngliche Bevölkerung war heterogen und scheinbar dominiert durch den Illyrern nahestehenden Stämmen. Spätestens im 3. Jahrhundert v. Chr. erfolgte die keltische Zuwanderung. Um 200 v.Chr. schlossen sich unter der Führung der Noriker dreizehn keltische/illyrische Stämme zum Königreich von Noricum zusammen. Einige Stämme sind namentlich bekannt: Ambidraven, Ambilinen, Ambisonten, Helvetier, Laianken, Noriker, Saevaten und Uperaken.

Die Lage der Hauptstadt Noreia ist bis heute unbekannt geblieben. - Auch wenn immer wieder Lokalpolitiker ihre jeweilige Ortschaft an diese Stelle setzen wollen. Das lächerlichste Beispiel dafür bietet die Seite 'noreia.at', die mit "Forschungen" aus dem 19. Jh. zu punkten versucht.

Um 120-115 v.Chr. fielen in Noricum die germanischen Stämme der Kimbern, Ambronen und Teutonen ein, die vorher von den Boiern im Böhmischen Kessel, den Skordiskern am Balkan und schlussendlich Tauriskern abgewehrt worden waren. Im Jahre 113 v.Chr. erlitt bei Noreia ein römisches Heer eine vernichtende Niederlage. Ein darauffolgendes Gewitter wurde von den Germanen als schlechtes Omen gedeutet, woraufhin die Invasoren Noricum verließen und nach Westen zogen. Durch den Druck der Germanen, insbesonders der Sueben, gerieten im Norden und Nordosten die Boier in Nachbarschaft Noricums (im Gebiet des späteren Regnum Vannianum — Marchfeld, Weinviertel, Wiener Becken), wobei Pressburg ihr wichtigstes Oppidum war. Um 58 v.Chr. versuchten die Boier, Noricum zu erobern, erlitten jedoch eine vernichtende Niederlage. Im Pakt mit den Tauriskern bedrohten sie dann über Jahre hinweg Noricum, bis ihr Reich von den Dakern zerstört wurde.

Infolge der Niederlage der Boier gegen die Daker wurde der Donauraum angegliedert oder in Abhängigkeit gebracht, die Macht Noricums reichte bis ins Wiener Becken und nach Böhmen und Westungarn. Somit gelang den Norikern die letzte überregionale Machtbildung der Festlandkelten. Im Jahr 49 v.Chr. schickte der norische König (vermutlich Voccio) Caesar 300 adlige Reiter als Unterstützung im Bürgerkrieg.

Nach oben

Römische Zeit

Noricum wurde im Jahr 15 v. Chr. Teil des römischen Reichs und war somit das letzte keltische Königreich, dass unter römische Herrschaft kam. (Frei blieben nur die Gebiete in Schottland / Caledonia und Irland / Hibernia.) Zunächst behielt es eine eingeschränkte Autonomie als tributpflichtiges Fürstentum, doch unter Kaiser Claudius wurde es um 40 n. Chr. endgültig eine römische Provinz.

Georg Rohrecker (Salzburg) schreibt dazu:
Unsere Ostalpen, insbesondere der Bereich zwischen Hohen Tauern und Salzkammergut, waren nicht nur so etwas wie ein „Schmelztiegel” und ein „Labor”, sondern auch buchstäblich das „El Dorado” des Keltischen, das gerade deshalb schlussendlich auch die unermessliche Begehrlichkeit der hochgerüsteten südlichen Nachbarn, der beutehungrigen Römer erweckte, die unter dem Kommando des antiken Kriegsverbrechers Cäsar zwischen den Jahren 58 und 51 v. Chr. bereits die Kelten Galliens millionenfach niedergemetzelt und riesigen Gewinn daraus gezogen hatten. Ähnliche Beute erhoffte sich sein Nachfolger und Großneffe Gaius Octavius, der sich später großspurig „Augustus” (der Erhabene) nennen ließ. Er vervollständigte konsequent und für unsere Vorfahren und uns folgenschwer die imperialistische Erbschaft seines macht- und goldgierigen Vorgängers. Mit Roms Griff nach den Gold- und Eisenschätzen des keltischen Norikums (Salz hatten die Eroberer selbst aus dem Meer zu weit geringeren Produktionskosten), mit der römischen Besetzung der heute österreichischen Ostalpen (inkl. Rätien und Pannonien) im Jahre 15 v. Chr. endet schließlich die „offizielle” Zeit der Kelten in Zentraleuropa – auch wenn sie, wie wir heute leicht nachweisen können, sogar noch sehr weit über das halbe Jahrtausend römischer Besatzungszeit hinaus wirken sollte.

Noricum wurde von den Römern in den folgenden Jahrhunderten mit einem dichten Fernstraßennetz überzogen (soweit es nicht vorher schon bestand). Zahlreiche Meilensteine und andere archäologische Funde legen davon Zeugnis ab. Die besterforschte römische Straßenstation Noricums ist in Immurium (Moosham, Bundesland Salzburg), am Südfuß des Radstädter Tauern.

Bei der unter Kaiser Diokletian vorgenommenen Verwaltungsreform wurde Noricum der Diözese Illyria zugeschlagen. Die Provinz selbst wurde in Noricum Ripense ("Ufer-Noricum", gemeint ist das Donau-Ufer) und Noricum Mediterraneum ("Binnen-Noricum") geteilt.

Im 2. Jhd. litt Noricum unter den Markomannenkriegen. Später wurde es von germanischen Stämmen bedroht, weswegen Virunum aufgelassen und die Hauptstadt nach Teurnia verlegt wurde. Nach dem Zerfall des römischen Reiches blieb die römische Verwaltung noch eine Zeitlang erhalten, bis das Gebiet von Awaren und Slawen erobert wurde.

Die römische Provinz Noricum Ripense wurde durchflossen von Narus (Salzach) und Anisus (Enns), die Westgrenze bildete der Aenus (Inn), die Nordgrenze Danuvius (Donau). Die bedeutendsten Städte waren Lauriacum (Lorch-Enns), Lentia (Linz), Ioviaco (Schlögen), Iuvao (Salzburg), Cucullis (Kuchl), Favianis (Mautern), Cetium (St. Pölten), Comagenis (Tulln) und Asturis (Zeiselmauer). Verwaltungssitz war Lauriacum.

Die römische Provinz Noricum Mediterraneum wurde durchflossen vom Dravus (Drau). Die bedeutendsten Städte waren Aguntum (Lienz), Tiburnia oder Teurnia (St. Peter im Holz), Virunum (Zollfeld), Poetovio (Ptuj, dt. Pettau) und Flavia Solvia (Leibnitz). Verwaltungssitz war erst Virunum (auch für Gesamt-Noricum), später Teurnia.

Lauriacum in Noricum Ripense (Ufer-Noricum) und Poetovio, Aguntum, Teurnia und auch Virunum (Binnen-Noricum) waren Bischofssitze, die dann in den Wirren der Völkerwanderung untergegangen sind.

Eine herausragende Gestalt der römischen Spätzeit in dieser Region war der hl. Severin von Noricum (um 410 - 08. Januar 482), Einsiedler, Abt und auch hoher römischer Verwaltungsangestellter. Severin wurde durch seine diplomatische und ausgleichende Verhandlungsführung bekannt, besonders mit dem nördlich der Donau um Krems siedelnden und sehr friedlichen Stamm der Rugier.

Entgegen veralteter Ansichten wanderte die keltisch-romanische Bevölkerung nur zu einem kleinen Teil ab. Namenskontinuität in Toponymen sowie eine Fülle archäologischer Funde belegen eine breite kulturelle Konitinuität über den offiziellen Zusammenbruch der römischen Verwaltung in den norischen Regionen hinaus und verbinden die römische Zeit über die Spätantike mit dem Frühmittelalter.

Literatur:
* G. Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike, 1980;
* G. Winkler, Noricum und Rom, 1977,
* G. Herm, Die Kelten, 1995;
* Georg Rohrecker, http://www.diekelten.at

Diesen Artikel habe ich Ende 2006 auch auf Wikipedia veröffentlicht.

Freigegeben unter GNU/GFDL

Nach oben